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Bens Weihnachtswunsch

 von Barbara Pronnet

Jenny ging als Christkind zur Weihnachtsfeier. Weißes kurzes Kleid und goldener Haarreif mit Heilgenschein auf den blonden Locken, kleine goldene Pappflügel und schon sah sie aus wie ein Rauschgoldengel. Die Kollegen fanden es super und sie genoss die Komplimente. Wegen hoher Arbeitsbelastung fiel der Event auf den 23.12. Morgen konnten sie ja alle ausschlafen und den verdienten Weihnachtsurlaub antreten.

Jenny fand eigentlich gar nichts aufregend an Weihnachten und der Heilige Abend bei der Familie war nervig und spießig. Ihre Eltern behandelten sie wie ein Kleinkind und sie wurde sicher wieder gemästet und mit Liebe überschüttet. Seit Jenny allein wohnte, frönte sie mehr dem Nachtleben und fand sich mit ihren zwanzig Jahren cool und unabhängig.

Die Feier war feuchtfröhlich und als die Idee kam, gleich anschließend ein frühes Frühstück im Cafe um die Ecke  einzunehmen, war es schon nach neun Uhr morgens als sie sich alle lachend und müde von einander verabschiedeten.

Jenny wohnte nicht weit weg von dem Cafe. Sie wollte ihren Brummschädel auskühlen lassen und ging zu Fuß nach Hause. Sie knöpfte ihre weiße Felljacke fest zu und marschierte, leise zu dem neuesten Hit summend, ihre kleine Einbahnstraße entlang. Neue Reihenhäuser mit schicken Vorgärten waren bereits festlich geschmückt und überall blinkte und funkelte es aus den Fenstern. Nur das letzte Eckhaus war ohne Glanz und Lichterketten und als Jenny am Gartentor vorbei ging, saß ein kleiner Junge vor der Eingangstür und schaute ziemlich traurig drein. Als er Jenny sah, glitt ein so freudiges Strahlen auf sein kleines Gesicht, dass Jenny stehen blieb und zurück lachte.

„Na Kleiner, wer hat dich denn so Früh ausgesetzt?“ fragte Jenny kess wie immer.

“Bist du das Christkind?“ fragte er vorsichtig.

Jenny wurde sich ihres Outfits wieder bewusst und wollte gerade etwas klarstellen, als der kleine Junge schon das Tor geöffnet hatte und sie an der Hand nahm und Richtung Haus zog.

„Halt warte doch mal“ Jenny ging in die Hocke und sah dem Jungen in die Augen.

„Wo sind denn deine Eltern?“

„Die sind heut früh schon wieder in ihr Büro, da sind sie eigentlich immer. Heute kommen sie sicher auch wieder spät, aber heut ist doch Weihnachten und der Christbaum liegt noch im Keller und wahrscheinlich vergessen sie sowieso das du heute kommst. Jetzt kommt dann gleich mein Babysitter, aber die ist doof und hört nur Musik und mag mich nicht“ sprudelte es aus ihm heraus.

Und jetzt denkt er womöglich ich bin das Christkind, so ein Mist und das mir, dachte Jenny. Für sowas hab ich ja überhaupt keine Begabung.

Sie überlegte kurz und besann sich. Es war Heiliger Abend.

„Wie heißt du denn überhaupt?“ Jenny setzte ihr schönsten Lächeln auf.

„Ben. Ich bin sechs Jahre alt. Er zeigte sechs kleine Finger in die Luft.

„Pass auf Ben, du weißt dass ich heute viel zu tun habe, aber wo ich schon mal hier bin, komme ich kurz rein und trage dir den Christbaum hoch ins Wohnzimmer, ok?“

Ben nickte ganz wild und schob Jenny Richtung Haustür.

Noble Hütte, alles klinisch sauber und ziemlich ungemütlich, dachte sie sofort. Sie schlüpfte aus ihrer Daunenjacke und zog ihre Flügel in Form.

Ben lotste sie gleich in den Keller und Jenny sah den Christbaum und den Halter dazu in einer Ecke stehen. Wenigsten war er nicht so groß. Sie klemmte ihn sich unter den Arm und Ben zog eifrig eine Kiste aus einem Regal

„Der Schmuck ist da drin und die Krippe“ sagte er aufgeregt und lief schon wieder damit nach oben. Jenny versuchte ihre Kopfschmerzen auszuschalten und das Spiel einfach mitzumachen. Sie würde sich noch was einfallen lassen müssen wenn die Aufpasserin kam und sie hier antraf. Sie hatte Mitleid mit dem kleinen Kerl und eine Wut auf die abwesenden Eltern. Eigentlich sollten die hier sein und sich um ihr vereinsamtes Kind kümmern.

Im Wohnzimmer befreiten sie gemeinsam den Baum aus dem Netz und steckten ihn mit viel Mühe in den Halter. Ben öffnete die Kiste und ein Sammelsurium aus edelsten Kugeln, Glasfiguren und Strohsternen kam zum Vorschein. Ben lief zum CD-Player und schon dudelte „Lasst uns froh und munter sein“ durch das Wohnzimmer.

Jenny musste schmunzeln als sie den Kleinen beobachtete. Ben strahlte und plötzlich wusste Jenny was es hieß, Kinder mit großen Augen vor dem Christbaum zu sehen.

„Ich weiß schon was ich geschenkt bekomme“, Ben hing vorsichtig eine rote Kugel an den Baum. „Eine ganze Menge Spielsachen, ein Fahrrad, Hörbücher und Süßigkeiten, aber das weißt du ja selber, weil du das alles heute Abend bringst“.

„Du klingst aber nicht so begeistert. Stimmt, du bekommst eine ganze Menge, mehr als viele andere Kinder“.

„Eigentlich wünsche ich mir nur das Mama und Papa mehr Zeit für mich haben. Sie sind immer weg und abends müde und heute wird das sicher auch so sein“.

Jenny kniete sich zu Ben und sah ihm in die Augen.

„Ben, erzähl deinen Wunsch deinen Eltern heute Abend und richte ihnen von mir aus, dass es nichts Schöneres und Wertvolleres gibt als Zeit für einander zu haben. Kein Spielzeug dieser Welt macht so viel Freude. Hast du verstanden?“

„Ja, hab ich, ich sag ihnen das du dir das auch wünscht“.

„Richtig, Weihnachten ist ein Fest wo alle Menschen zusammenkommen, sich zuhören und für einander da sind. Das wünscht sich das Christkind am meisten“.

Der Baum sah wunderschön aus und sie schauten stolz auf ihr gemeinsames Werk.

„Die Kerzen machst du aber erst an wenn deine Eltern wieder da sind, versprochen? Ich muss jetzt los und du bleibst im Haus, draußen ist es kalt.“

Jenny ging in den Flur und zog ihre Jacke an. Plötzlich ging die Haustüre auf und ein junges Mädchen mit Kopfhörer und pinken Strubbelhaaren starrte sie entsetzt an.

„Keine Angst ich bin nur das Christkind“ grinste Jenny. Sie streichelte Ben über das Haar.

„Du wirst sehen, deine Eltern werden dir deinen Wunsch erfüllen, du musst nur fest dran glauben“.

„Mach ich und danke, Christkind“ Jenny nahm den kleinen Jungen in die Arme und drückte ihn fest an sich.

„Bis bald Ben und fröhliche Weihnachten“

Jenny verließ das Haus und ging eilig weiter in ihre Straße. Sie hatte plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihren Eltern und freute sich auf die Wärme und Geborgenheit die sie dort erwartete. So muss Weihnachten sein, dachte sie und hoffte, dass der kleine Ben seinen größten Wunsch erfüllt bekam.

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